Ritual für das Leben: Brit Milah beziehungsweise Taufe.
Eine christliche Stimme
Die Taufe steht am Anfang eines jeden christlichen Lebens. Sie begründet das Christsein und gibt Anteil am Leben Jesu Christi. Der Apostel Paulus schreibt, dass der Mensch in der Taufe mit Christus stirbt, aber auch mit ihm aufersteht und neues Leben gewinnt. (Röm 6,1-11) Daher gehört zur Taufe ein Bekenntnis zur Lebensweise Jesu und zu seinem Gott. Christus führt Menschen zur Gemeinschaft mit Gott und daher auch in einen Bund mit Gott. Die Gemeinschaft mit Gott spiegelt sich zugleich in der Gemeinschaft der Getauften, der Kirche.
Die Taufe ist – vom Ursprung her – für erwachsene Menschen, die sich entschieden haben, als Christ*innen zu leben, weil sie von der frohen Botschaft Jesu ergriffen wurden. Wenn ein Kind nach der Geburt getauft wird, so ist eine christliche Erziehung zu gewährleisten. In der Firmung bzw. der Konfirmation sagt der junge, erwachsene Mensch dann sein eigenes Ja. Die Taufe steht nicht nur am Anfang des Christsein. Sie prägt jeden Christen und jede Christin bis ans Lebensende. Einmal getauft, für immer getauft. Eine Taufe kann weder ungeschehen gemacht werden, noch braucht sie wiederholt zu werden. Weder ein formeller Kirchenaustritt noch ein Übertritt in eine andere Konfessionskirche hat auf die Taufe eine Auswirkung.
– P. Dr. Christian M. Rutishauser SJ
Langfassung
Die Taufe steht am Anfang eines jeden christlichen Lebens. Sie begründet das Christsein. Sie schenkt Anteil am Leben Jesu Christi. Daher schreibt der Apostel Paulus, dass der Mensch in der Taufe mit Christus stirbt, mit ihm aber auch aufersteht und neues Leben gewinnt. (Röm 6,1-11) In der Taufe soll der alte Mensch sterben, derjenige Mensch, der von der Logik der Welt, von den Gesetzen der Selbstbehauptung und des Rechts des Stärkeren lebt. In der Taufe erklärt sich der Mensch bereit, aus dem Geist Christi, seiner Weisheit und Hingabe zu leben. Er nimmt das „leichte Joch“ von Jesu Lebenslehre auf sich. (Mt 11,29f) Daher gehört zur Taufe eine Absage gegenüber allem Bösen und ein Bekenntnis zur Lebensweise Jesu und zu seinem Gott. Zur Taufe gehört immer das Glaubensbekenntnis.
Christus will die Menschen zu Gott führen. Sie sollen in eine Tiefe Gemeinschaft mit ihm finden. Gott ist die Quelle und der Schöpfer allen Lebens. Daher führt die Taufe auch in einen Bund mit Gott. Der Mensch wird nicht nur auf den Namen Jesu getauft, sondern auf ihn und seinen Gott. Die Taufformel, die sich in den grossen Kirchen durchgesetzt hat, ist dem Matthäusevangelium entnommen. Dieses endet mit dem auferstanden Christus, der zu seinen Anhängern spricht: „Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe.“ (Mt 28,19f). Die Taufe nimmt also in die Gemeinschaft hinein, die Christus mit Gott, seinem Vater hat. Der Heilige Geist ist das Band dieser Beziehung. Die Taufe führt in die Gemeinschaft des dreieinigen Gottes. Sie ist Initiation in das Mysterium des christlichen Monotheismus.
Die Gemeinschaft mit Gott spiegelt sich immer in der Gemeinschaft unter den Menschen. Sie führt in eine besondere Verbindung mit allen anderen Getauften. Daher fügt die Taufe auch in die Gemeinschaft der Kirche ein. Die Kirche ist Gemeinschaft aller, die aus der Logik der alten Welt herausgerufen sind, in besonderer Weise aus und für das Evangelium zu leben. Damit bilden die Getauften eine Gemeinschaft von Heiligen, wie es im Neuen Testament heisst. (z.B. Röm 1,7) Die Berufung zu einem Leben in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor Gottes Angesicht ist eine Kurzformel des christlichen Lebens. (Lk 1,74f) Die Taufe ist im Grunde genommen etwas für erwachsene Menschen, die sich entschieden haben, als Christen zu leben, weil sie von der Frohbotschaft Jesu ergriffen worden sind.
Die Kirche tauft in unserer Gesellschaft jedoch viele Kinder. Wenn das Kleinkind nach der Geburt getauft wird, muss eine christliche Erziehung gewährleistet sein. Gott nimmt im Kleinkind den Menschen ohne Vorleistung an, doch später erwartet er eine Antwort darauf in einem christlichen Lebensstil. In der Firmung bzw. der Konfirmation sagt der junge, erwachsene Mensch dann sein eigenes Ja. Ähnlich gehören Beschneidung und Bar-Mitzwa bzw. Bat-Mitzwa im Judentum zusammen, wo die jungen Erwachsenen bewusst sich auf die Gebote verpflichten, die ein jüdisches, erwachsenes Leben prägen sollen, auch wenn sie seit Geburt jüdisch sind und auch wenn die Knaben am achten Tag beschnitten wurden.
Schon das jüdische Volk ist berufen ein heiliges und priesterliche Volk zu sein, als es aus der Sklaverei Ägyptens auszieht und die Weisung Gottes im Bund am Sinai übernimmt. (Ex 19,5f) Auch die Kirche versteht sich als pilgerndes Volk Gottes, als heiliges, königliches und priesterliches Volk. (1 Petr 2,9) Prophetisch, priesterlich und königlich sind Aufgaben, die jedem einzelnen Christen anvertraut sind, denn er lebt nicht für sich allein: Prophetisch hat er Andere zu lehren. Priesterlich hat er für Andere zu beten und fürbittend vor Gott zu treten. Königlich hat er die Welt im Geist Gottes zu regieren. Für all diese Aufgaben wird ihm bei der Taufe der Heilige Geist geschenkt. Bei der Taufe wird jeder und jede dazu mit heiligem Öl gesalbt und gestärkt.
Es ist bereits klar geworden: Der Taufbund steht in einer Analogie zum Bund der Beschneidung im Judentum. Wie der jüdische Knabe durch den Ritus der Beschneidung in den Bund Gottes eintritt, so der Nicht-Jude und die Nicht-Jüdin durch die Taufe ins Christentum. Die Taufe wird daher auch Beschneidung des Herzens genannt. (vgl. Röm 2,29) Für Juden ist Inhalt des Bundes die Tora, die Weisung Gottes, nach der es zu leben gilt. Für Christen ist der Inhalt des Bundes Jesus Christus, der die Weisung Gottes in einmaliger Weise gelebt hat; ihm gilt es im Leben nachzufolgen. Die imitatio Christi ist die spezifische Form der imitatio Dei, die auch im Zentrum jüdischer Spiritualität steht.
Jesus ist für Christen der Sohn Gottes und die zweite Person des dreieinigen Gottes. Er ist aber nicht nur ganz Gott, sondern auch ganz Mensch, unvermischt und ungetrennt. So hat das Konzil von Chalcedon 451 n. Chr. das paradoxe Geheimnis treffend formuliert und paradigmatisch die Verbindung von Gott und Mensch beschrieben. Als Mensch ist Christus Jesus Jude, denn in ihm ist das Wort Gottes Fleisch geworden. (Joh 1,18) Als Jude ist Jesus am achten Tag beschnitten worden und so in den Bund Gottes mit seinem Volk eingetreten. (Lk 2,21) Die Kirche hat über viele Jahrhunderte am 1. Januar die Beschneidung und die Namensgebung Jesu gefeiert. An die Stelle der Beschneidung ist im Christentum die Taufe als Zeichen für den neuen Bund getreten. Der Apostel Paulus, obwohl selbst beschnitten und dies auch von Juden fordert, die sich der messianischen Bewegung um Christus anschliessen, kämpft darum, dass die Heiden, die Christen werden, sich nicht beschneiden, sondern taufen lassen. Sein Brief an die Galater ist genau diesem Thema gewidmet.
Die Taufe steht nicht nur am Anfang des Christsein. Sie prägt jeden Christen und jede Christin bis ans Lebensende. Einmal getauft, für immer getauft. Eine Taufe kann weder ungeschehen gemacht werden, noch braucht sie wiederholt zu werden. Weder ein formeller Kirchenaustritt noch ein Übertritt in eine andere Konfessionskirche hat auf die Taufe eine Auswirkung. Wer sich in seinem Lebensstil von Christus abwendet, kann und sollte auch jederzeit umkehren. In der röm.-kath. Tradition steht dafür das Zeichen der Beichte. Schuld wird vergeben, Wunden werden geheilt und neu ins Leben Christi und seiner Gemeinschaft der Kirche integriert. Daher ist die Beichte der Taufe verwandt. Sie erneuert die Taufe und gliedert wieder neu in die Gemeinschaft der Getauften ein. Vor allem in der Liturgie der Osternacht, dem bevorzugten Zeitpunkt für Taufen, weil da Jesu Tod und Auferstehung unmittelbar gefeiert und vergegenwärtigt wird, wird auch das Taufbekenntnis immer wieder erneuert.
– P. Dr. Christian M. Rutishauser SJ
#beziehungsweise: jüdisch und christlich – näher als du denkst